Monika Heinold ist Finanzministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin Schleswig-Holsteins. Auf ihrem Weg von der Erzieherin zur Ministerin hat sie sich als Frau in Führungspositionen immer wieder durchkämpfen müssen.
KIELerleben: Frau Heinold, am 8. März ist Weltfrauentag. Was zeichnet für Sie eine starke Frau aus?
Monika Heinold: Eine starke Frau ist mutig, nimmt ihr Leben selbst in die Hand und hat Ziele, für die sie kämpft.
Wieso spielt gerade dieser Tag aus Ihrer Sicht eine wichtige Rolle?
Weil er international ist. Weil Frauen weltweit für die Gleichstellung und Gewaltfreiheit auf die Straße gehen. Frauenrechte werden wir nur durchsetzen, wenn wir uns als Frauen verbünden und gemeinsam lautstark unsere Rechte einfordern.
Welche Frauen beeindrucken Sie im besonderen Maße?
Ganz besonders beeindruckt mich Michelle Obama, da sie eine spannende Frau ist, die unglaublich viel erlebt hat und mit einer besonderen gesellschaftlichen Situation konfrontiert ist. Aber auch Angela Merkel, die sich gegen hunderte Männer durchgesetzt hat. Und natürlich Annalena Baerbock, unsere GRÜNE Bundesvorsitzende, die mit 39 Jahren selbstbewusst und klug ihre Position vertritt und sich nicht die Butter vom Brot nehmen lässt
Was würden Sie Michelle Obama fragen, wenn Sie die Möglichkeit hätten, sie persönlich zu treffen?
Ich würde sie fragen, wie sie es schafft, in diesem großen täglichen Spannungsfeld noch Mensch zu sein. Wie es ihr gelingt, trotz vieler Konfliktsituationen auf dem Boden zu bleiben.
Gibt es Vorurteile, denen Sie sich beruflich oder privat in der Vergangenheit ausgesetzt sahen?
Ja. Wenn Sie als Frau, als GRÜNE und als Erzieherin sagen, dass Sie sich zutrauen, Finanzministerin zu werden, gibt es viele Männer, die mit den Augen rollen. Dann braucht es Kraft und Stärke, um durchzuhalten und seine Ziele zu erreichen.
„Stellt euch nicht die Frage, ob ihr etwas nicht könnt, denn das tun Männer auch nie!“
Gibt es ein Frauenbild für Sie, an dem Sie sich beruflich oder privat besonders orientieren?
Ich stelle fest, dass sich mittlerweile andere Frauen eher an mir orientieren. Ich sehe, dass sich junge Frauen ermutigt fühlen, einen einflussreichen Job auszuüben. Das bedeutet für mich der Begriff Empowerment: ermutigen, zeigen, dass starke Frauen Macht und Führung können. Und dazu gehört auch, dass wir Frauen uns ganz viel zutrauen sollten.
Orientieren sich junge Frauen also an einer bestimmten Eigenschaft von Ihnen?
Ich bin den beruflichen Weg von der Erzieherin zur Finanzministerin gegangen. Zu sehen, wie es gelingen kann, Barrieren zu durchbrechen und sich etwas zuzutrauen, Einfluss zu nehmen und sich nicht unterkriegen zu lassen, das macht jungen Frauen Mut. Mein Rat an junge Frauen ist: Stellt euch nicht die Frage, ob ihr etwas könnt oder nicht könnt, denn das tun Männer auch nicht. Stellt euch die Frage „will ich das?“ Wenn ja, dann lohnt es sich, dafür zu kämpfen.
Wieso sind Frauen dahingehend zurückhaltender?
Ich denke, es ist eine Mischung aus jahrhundertelanger Tradition und Erziehung, als Frau erst einmal zurückhaltender zu sein. Es dauert, dieses Muster zu durchbrechen. Dafür brauchen wir viele starke Frauen in Führungspositionen, an denen sich junge Frauen orientieren können. Noch sind insbesondere in der Wirtschafts- und Finanzwelt die Führungspositionen überwiegend männlich besetzt.
Welche sind die Schrauben, an denen beim Kampf um die Gleichstellung der Frau gedreht werden sollten?
Neben festen Quoten für Vorstände und Führungspositionen braucht es eine veränderte Gehaltsstruktur. Wenn soziale Berufe super bezahlt und hohe Managereinkommen kräftig besteuert würden, würde sich vermutlich relativ schnell etwas ändern.
Gibt es Projekte oder Vereine, in denen Sie sich besonders für Frauenrechte oder die Gleichstellung einsetzen?
In meinem Job als Finanzministerin setze ich mich aktiv für Gleichstellung ein. Von 17 Finanzämtern haben inzwischen acht eine Frau als Chefin.
Setzen Sie sich als Finanzministerin gerade für die Lohngleichheit von Mann und Frau ein?
Im öffentlichen Dienst gibt es gleichen Lohn für gleiche Arbeit. Aber das ist nicht überall so. Das muss sich ändern und dafür kämpfe ich. Und auch wenn wir es nicht von heute auf morgen ändern können, müssen wir darüber sprechen, dass soziale Berufe besser bezahlt werden. In der Regel leisten Frauen hier verdammt viel für viel zu wenig Geld.
In welchen Bereichen empfinden Sie die Gleichstellung von Mann und Frau als problematisch?
Gleichstellung ist nie problematisch. Im Gegenteil: Wir müssen einerseits dazu kommen, dass Männer verstärkt in die sozialen und pflegerischen Berufe gehen. Und andererseits müssen wir sicherstellen, dass in der Wirtschafts- und Finanzbranche, bei Beraterfirmen, unter den Managern und in Bankvorständen die Hälfte der Jobs uns Frauen gehört.
Wie steht es um die Chancen der Frauen in Politik und Wirtschaft?
Meine Erfahrung sagt mir, dass wir echte Gleichberechtigung nur mit festen Quoten hinbekommen. Frauen müssen in Wirtschaft und Politik die Hälfte der Macht erhalten. Dazu braucht es ein klares Regelwerk, auch für die Parlamentswahlen.
Von Mirjam Stein und Sebastian Schulten