Mit „Glaube Liebe Hoffnung“, einem bedrückenden und zugleich zeitweise absurd-komischen Stück, ist das Schauspiel des Theaters Kiel am gestrigen Abend mit großem in die neue Spielzeit gestartet.
„Glaube Liebe Hoffnung“ ist ein bedeutendes Drama des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth, das 1933 in der turbulenten Endphase der Weimarer Republik entstand. Mit dem Untertitel „Ein kleiner Totentanz in fünf Bildern“ versehen, spiegelt das Werk die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verwerfungen der frühen 1930er Jahre in Deutschland wider. Horváth schuf dieses Stück in einer Zeit, die von Massenarbeitslosigkeit, wirtschaftlicher Not und politischer Instabilität geprägt war, kurz bevor die Nationalsozialisten die Macht ergriffen.
Das Drama folgt dem Schicksal der jungen Elisabeth (gespielt von Isabel Baumert), die verzweifelt versucht, in der Wirtschaftskrise zu überleben und Arbeit zu finden. Durch ihre Geschichte beleuchtet Horváth kritisch die Entmenschlichung durch staatliche Institutionen, den Verfall von Moral und zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die allgegenwärtige Hoffnungslosigkeit der „kleinen Leute“. Der Autor prangert die unmenschlichen Mechanismen der Gesellschaft an und zeigt, wie in Krisenzeiten die Menschlichkeit oft auf der Strecke bleibt.
Der Titel „Glaube Liebe Hoffnung“ verweist ironisch auf die christlichen Tugenden, die in der dargestellten Realität kaum noch Bedeutung haben. Horváth zeichnet ein düsteres Bild einer Gesellschaft im Umbruch, in der traditionelle Werte zerfallen und sich eine zunehmende Radikalisierung abzeichnet.
Das Stück ist charakteristisch für Horváths scharfsinnige Auseinandersetzung mit der Zwischenkriegsgesellschaft und zeigt exemplarisch, wie die Wirtschaftskrise das Leben der einfachen Menschen beeinflusst und die soziale Ordnung brüchig werden lässt. Durch die eindringliche Darstellung von Elisabeths Kampf gegen bürokratische Hürden und gesellschaftliche Zwänge offenbart Horváth die Unmenschlichkeit des Systems und der Gesellschaft, wodurch „Glaube Liebe Hoffnung“ zu einem zeitlosen Kommentar über die Auswirkungen von Krisen auf das menschliche Miteinander wird.
„Glaube Liebe Hoffnung“ hat dabei durchaus auch seine (schwarz-)humorigen Passagen, die in der erfreulich frischen Inszenierung von Alexandra Liedtke an den richtigen Stellen durchscheinen und für einen auch vom Publikum gern angenommenen Kontrast sorgen. Einen nicht unerheblichen Beitrag dazu leisten auch grandiosen Kostüme von Malte Lübben, die die Absurdität der dargestellten Situationen und die irrwitzigen Menschenkonstellationen unterstreichen und betonen.
Auf der von Falko Herold kreierten, aus flexibel verschiebbaren Wänden bestehenden, düster gehaltenen Bühne begegnet Elisabeth allerlei schrägen Gestalten. Angefangen beim kauzigen Präparator (Immanuel Humm), dem sie gleich zu Beginn der Reise versucht, ihren Körper schon zu Lebzeiten zu verkaufen und Endend mit Alfons Klostermeyer (Marius Borghoff), den sie zu heiraten gedenkt. Dazwischen liegen Bekanntschaften etwa mit einem zwielichtigen Baron (Christian Kämpfer), Frau Amtsgerichtsrat (Yvonne Ruprecht), die nicht nur diverse Gesetze rezitiert, sondern auch den einen oder anderen Rat für Elisabeth parat hat, ihrem kurzzeitigen Retter aus den Fluten, Joachim (Felix Zimmer), und der ebenfalls beim Wohlfahrtsamt schlangestehenden Maria (Eva Kewer, die den Preis für das absurdeste aller Kostüme des Abends gewinnt).
„Glaube Liebe Hoffnung“ ist ein mehr als gelungener Auftakt in die neue Spielzeit im Schauspielhaus, der Lust auf mehr macht.
Wer den „kleinen Totentanz in fünf Bildern“ nicht verpassen möchte, hat dazu direkt heute Abend (28. September 2024) erneut die Chance. Außerdem an zahlreichen Terminen vom 5. Oktober an bis in den März 2025.
Tickets gibt es wie immer an allen Vorverkaufsstellen des Theaters Kiel, online unter theater-kiel.de oder telefonisch oder 0431 901 901.