- Ein Schuss vor den Bug: Am Pfingssonntag protestierten Aktivisten der TurboKlima KampfGruppe Kiel gegen Kreuzfahrten und die schlechten Arbeitsbedingungen an Bord (Bild: TKKG Kiel)
- (Bild: TKKG Kiel)
- Die Aktivisten der TurboKlimaKampfGruppe Kiel mussten von der Wasserschutzpolizei entfernt werden, damit die "Zuiderdam" mit sechs Stunden Verspätung ablegen konnte (Bild: TKKG Kiel)
An 9. Juni verhinderten Klima-Aktivisten das Auslaufen des Kreuzfahrtschiffes Zuiderdam aus dem Kieler Hafen. Kiel erlangte so über Nacht internationale Aufmerksamkeit
Eine solche Protestaktion hat es so noch nicht gegeben. Zum ersten Mal blockierten Klima-Aktivisten ein Kreuzfahrtschiff, sodass das Auslaufen aus dem Kieler Hafen verhindert wurde. Mit einer Verspätung von sechs Stunden verließ die „Zuiderdam“ den Ostseekai – 46 Aktivisten wurden daraufhin in Gewahrsam genommen und die Aktion unter dem Namem „Smash Cruiseshit“ der TurboKlimaKampfGruppe (TKKG) gelangte zu internationaler Berühmtheit. Auf die Umweltbelastung durch Kreuzfahrtschiffe im Allgemeinen sowie die schlechten Arbeitsbedingungen auf dem Ozeanriesen „Zuiderdam“ aufmerksam machen – das war das Ziel von TKKG. Und das haben sie wohl auch geschafft. Diskutiert wird aber auch darüber, ob eine solche Blockade eine normale Protestaktion oder Gewalt ist und wer sich hinter der Gruppe verbirgt: Wir haben mit Julia, einer Sprecherin der Gruppe, gesprochen:
Was sind die Ziele von TKKG?
Die TurboKlimaKampfGruppe will den Klimawandel stoppen und dabei auch auf Klimagerechtigkeitsaspekte eingehen. Für uns hängen ökologische und soziale Fragen zusammen. Denn es kann nicht sein, dass im Pazifik Inseln im Meer versinken, weil wir hier Kohlekraft benutzen, Auto fahren oder Kreuzfahrtreisen unternehmen.
Geht das also nur mit solchen „dramatischen“ Aktionen?
Wir versuchen mit zahlreichen Informationsveranstaltungen und Flyern aufzuklären und machen auch direkte Aktionen, beispielsweise gegen Autoverkehr oder Kohleabbau. Dabei ist es uns wichtig vor der eigenen Haustür anzufangen, aber auch globale Zusammenhänge im Blick zu haben.
Die Aktivisten der TurboKlimaKampfGruppe Kiel mussten von der Wasserschutzpolizei entfernt werden, damit die "Zuiderdam" mit sechs Stunden Verspätung ablegen konnte (Bild: TKKG Kiel)
Welche Motivation steckt hinter der Aktion? Welchem Zweck dient sie?
Kreuzfahrtschiffe sind noch ein viel zu wenig beachtetes Thema im Hinblick auf den Klimawandel und haben auch sonst zahlreiche negative Begleiterscheinungen, wie miese Arbeitsbedingungen an Bord. Trotzdem haben sie starken Zulauf und immer mehr Menschen machen Kreuzfahrten. Auch in Kiel gibt es jedes Jahr mehr Anläufe, der Gesamt-CO2-Ausstoß von Kreuzfahrtreisen steigt, auch wenn er pro Passagierkilometer sinkt.
Stimmt, da ist Kiel ja kein unbeschriebenes Blatt...
Kiel hat den „Climate Emergency“ ausgerufen und will trotzdem mehr Kreuzfahrtschiffe anlocken - wir finden das widerspricht sich. Deshalb wurde auch der Baukran für den aktuellen Terminal-Neubau besetzt. Dieser Widerspruch wird sich auch nicht durch den von OB Dr. Ulf Kämpfer propagierten Neubau einer Landstromanlage lösen lassen, die ja sowieso nur auf freiwilliger Basis verwendet werden soll. Wir wollten deutlich zeigen: Die stinkenden Pötte sind hier nicht willkommen und auch nirgendwo sonst.
War dies der angemessene Weg des Protests?
Es gibt schon seit über einem Jahr in Kiel immer wieder Mahnwachen gegen die Kreuzfahrtschiffe, bei denen Flyer an PassagierInnen und PassantInnen verteilt wurden. Der Seehafen hat massiv versucht diese zu behindern. Beispielsweise hatte eine angemeldete Versammlung im Mai einen Ort von den Versammlungsbehörden zugewiesen bekommen. Das Personal vom Seehafen ignorierte das und vertrieb illegalerweise mit Hilfe der willigen Polizei die DemonstrantInnen. Wenn wir an Land vertrieben werden, müssen wir eben aufs Wasser gehen. Die weltweite Berichterstattung hat gezeigt, dass solche Blockadeaktionen notwendig sind, um überhaupt eine Diskussion über die Kreuzfahrtschiffe, -reedereien und -häfen anzustoßen.
(Bild: TKKG Kiel)
Warum gerade dieses Kreuzfahrtschiff?
Es hätte auch jedes andere Kreuzfahrtschiff sein können. Kreuzfahrtschiffe generell sind das Problem, sie stoßen eine Menge Schadstoffe aus: klimaschädliches CO2, gesundheitsschädliche Stickoxide, Schwefel, der zur Versauerung der Meere führt. Sie stören Meeressäugetiere und führen zur Abbaggerung von Korallenriffen. Carnival Corporation, zu der auch die Zuiderdam gehörte, konnte im letzten Jahr neue Schiffe abschreiben und musste daher 0 Prozent Steuernzahlen. Gleichzeitig wird die Landstromanlage in Kiel zu einem großen Teil von der Stadt subventioniert und soll sogar von der EEG-Umlage befreit werden. Die hohen Profite basieren auch auf der Ausbeutung von Menschen aus dem globalen Süden. Ein/e TellerwäscherIn bei TUI bekommt pro Stunde 2,40 Euro und muss 9 Monate am Stück bei 72 Stunden pro Woche arbeiten. Verantwortungsvoller Urlaub geht anders.
Wie beurteilen Sie die Aktion rückwirkend?
Als vollen Erfolg. Smash Cruiseshit ist es gelungen, international Aufmerksamkeit auf das Thema Kreuzfahrten zu lenken, sodass auch sie jetzt bei den Klimawandel-Diskussionen eine Rolle spielen werden. In Kiel wird darüber diskutiert, ob der Hafen jetzt für Kreuzfahrten unattraktiv wird - unser Ziel ist es alle Häfen für Kreuzfahrten unattraktiv zu machen, denn dann kann es keine mehr geben.
Gibt es Punkte, bei denen Sie reflektierend auch Zweifel hegen?
An der Gesamtaktion hegen wir keine Zweifel. Es wurde natürlich auch vorher über die Risiken diskutiert und nach der Aktion reflektiert. KreuzfahrtpassagierInnen sind keine Unbeteiligten, sondern haben sich entschieden auf diese umweltzerstörerische Art und Weise Urlaub zu machen. Wenn sie dann auch noch zum Ausschiffungshafen geflogen sind, hält sich unser Mitleid für ein paar Stunden Wartezeit während der Aktion in Grenzen! Die Passagier*innen waren zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Viele von ihnen standen an der Reeling und haben amüsiert das Treiben im Wasser beobachtet. Kritisch war das Vorgehen von Polizei und Schiffsbetreibern, die uns durch ihr Verhalten bewusst in Gefahr gebracht haben. Beispielsweise wurden Leinen mit daran kletternden Menschen abgelassen. Boote der Wasserschutzpolizei fuhren ständig planlos mit hoher Drehzahl zwischen die schwimmenden AktivistInnen und winzigen Gummiboote, rammten die Boote und Kajaks und gefährdeten dadurch die InsassInnen. Auch ein
massives Schleppboot wurde rückwärts auf die Menschen im Wasser zugesteuert.
In der Juliausgabe der KIELerleben findet ihr den gesamten Artikel inklusive Fragen und Antworten von Oberbürgermeister Dr. Ulf Kämpfer.