- Stefano Meo als „Michele“ im ersten Teil des Triptychons. (Bild: Olaf Struck, Theater Kiel)
- George Oniani (Luigi), Aaron Eunhyuk Lee (Talpa), Stefano Meo (Michele), Tatia Jibladze (Frugola), Angieszka Hauzer (Giorgetta) (Bild: Olaf Struck, Theater Kiel)
- Jule Stuhr (Statisterie), Marta Mari (Suor Angelica), Tatia Jibladze (La zia principessa) (Bild: Olaf Struck, Theater Kiel)
- Ensemble-Bild. (Bild: Olaf Struck, Theater Kiel)
Ein Opernabend der besonderen Art erwartet das Publikum der Oper Kiel mit der Premiere von Giacomo Puccinis „Il Trittico
Der dreiteilige Operenzyklus, bestehend aus den Einaktern „Il Tabarro“, „Suor Angelica“ und „Gianni Schicchi“, präsentiert sich als gewaltiges Bühnenerlebnis, das sowohl optisch als auch musikalisch zu überzeugen weiß.
Dantes Göttliche Komödie als Inspiration
Puccinis „Il Trittico“ ist weit mehr als nur eine zufällige Zusammenstellung dreier Einakter. Der Komponist orientierte sich bei seiner Konzeption bewusst an Dante Alighieris „Göttlicher Komödie“ und deren dreiteiliger Struktur von Hölle, Fegefeuer und Paradies. Ursprünglich wollte Puccini sich drei Episoden aus Dantes Werk widmen, um diese drei jenseitigen Bereiche abzubilden. Obwohl sich dieser Plan im Laufe der Entstehung wandelte, blieb die grundlegende Dramaturgie erhalten: einen Weg von der Finsternis zum Licht zu beschreiten, von der Hölle zur Erlösung.
Das Triptychon vereint ein tragisches („Il Tabarro“), ein lyrisches („Suor Angelica“) und ein vergleichsweise heiteres Stück („Gianni Schicchi“) an einem Abend. Diese drei kontrastierenden „Farben“ – wie Puccini sie nannte – sollten verschiedene Facetten der menschlichen Existenz portraitieren.
Besonders gelungen ist die Idee der Kieler Inszenierung, Imanuel Humm aus dem Schauspielensemble als Dante für Videoeinspielungen vor jedem Teil von „Il Trittico“ einzusetzen. Mit Witz und Sarkasmus blickt Humms Dante auf das, was Puccini aus seinen Texten zu machen versucht, und ordnet die drei Werke zugleich in ihrem größeren Kontext ein. Diese Rahmenhandlung schafft es, sowohl Kenner der Materie als auch Opern-Novizen gleichermaßen zu amüsieren und dem Abend eine zusätzliche Ebene zu verleihen.
Das gewaltige und beeindruckende Bühnenbild rahmt das Geschehen in zwei gigantischen Felswänden zu jedem Rand der Bühne ein. Eine gigantische Leinwand im Hintergrund zeigt passende Himmel und Wolkenbewegungen zu den jeweiligen Szenen, aber auch andere atmosphärische Projektionen. Die Kostüme wirken durchweg stimmig und unterstreichen die düstere Stimmung, die den große Teile des Abends über auf der Bühne herrscht. Für diese atmosphärische Gesamtgestaltung zeichnet ein kompetentes Team verantwortlich: Regie führte Pier Francesco Maestrini, die musikalische Leitung übernahm Rani Calderon, für die Bühne und Videos war Nicolás Boni zuständig, für die Kostüme Stefania Scaraggi, für das stimmungsvolle Licht Daniele Naldi und die Choreinstudierung übernahm Gerald Krammer.
George Oniani (Luigi), Aaron Eunhyuk Lee (Talpa), Stefano Meo (Michele), Tatia Jibladze (Frugola), Angieszka Hauzer (Giorgetta) (Bild: Olaf Struck, Theater Kiel)
„Il Tabarro“: Verismo am Seineufer
Der erste Einakter erzählt die düstere Geschichte einer Eifersuchtsstragödie: Michele, ein grauhaariger Schiffer, liebt seine junge Frau Giorgetta, die nach dem Tod ihres gemeinsamen Kindes eine Beziehung zum Löscharbeiter Luigi begonnen hat. Als Michele das heimliche Stelldichein der beiden entdeckt, erwürgt er Luigi und präsentiert Giorgetta die Leiche ihres Geliebten in seinem Mantel – jenem Mantel, der einst Symbol für Geborgenheit und Schutz war.
In der Kieler Inszenierung verkörpert Stefano Meo den Michele stimmlich wie vom Ausdruck her nahe der Perfektion. Agnieszka Hauzer als Giorgetta steht ihm durch alle darzustellenden Gefühle hindurch praktisch in nichts nach. Sehr überzeugend zeigt sich auch Tatia Jibladze als das „Frettchen“ (La Frugola), während George Oniani als Liebhaber Luigi eine vom Publikum zurecht ebenfalls mit viel Applaus bedachte Leistung abliefert.
Jule Stuhr (Statisterie), Marta Mari (Suor Angelica), Tatia Jibladze (La zia principessa) (Bild: Olaf Struck, Theater Kiel)
„Suor Angelica“: Mystische Verklärung im Kloster
Der zweite Einakter führt in ein italienisches Kloster Ende des 17. Jahrhunderts. Angelica wurde nach der Geburt eines unehelichen Kindes von ihrer adeligen Familie in das Kloster verbannt und lebt dort seit sieben Jahren. Als ihre hartherzige Tante, die Fürstin, sie besucht und ihr mitteilt, dass ihr Sohn bereits vor zwei Jahren gestorben ist, bricht Angelica zusammen. In ihrer Verzweiflung nimmt sie Gift und stirbt, wobei sie, der als Selbstmörderin die Verdammnis droht, am Ende Vergebung findet.
„Suor Angelica“ fand schon beim Uraufführungspublikum 1918 in New York keinen besonderen Anklang und wird seitdem an Puccini-Abenden oft weggelassen. Der Grund mag darin liegen, dass „Suor Angelica“ über weite Strecken zu sakral und kitschig daherkommt. In Kiel gelingt es jedoch, die durchaus überzeugende und berührende Musik mehr in den Vordergrund zu rücken. Marta Mari als Angelica und Tatia Jibladze als ihre Tante wissen in ihren Rollen scheinbar mühelos zu glänzen. Besonders hervorzuheben ist an dieser Stelle auch der hervorragende Jugendchor, der zu den bewegendsten Momenten des Abends beiträgt.
Ensemble-Bild. (Bild: Olaf Struck, Theater Kiel)
„Gianni Schicchi“: Komödiantischer Höhepunkt
Der dritte Einakter erzählt die Geschichte des florentinischen Schurken Gianni Schicchi. Als der reiche Buoso Donati stirbt und qua Testament alles der Kirche vermacht, bittet die gierige Verwandtschaft Schicchi um Hilfe. Dieser legt sich als der Verstorbene verkleidet ins Bett und diktiert einem Notar ein neues Testament – wobei er sich selbst das Beste aus dem Erbe sichert.
Trotz der auch hier grundsätzlich düsteren Handlung haben alle auf der Bühne offenkundig großen Spaß an dem absurden Spiel, das Puccini und Dante hier erdacht haben. Allen voran Matteo Maria Ferretti als Gianni Schicchi, Xenia Cumento als Lauretta und Dashuai Chen als Rinuccio bieten nicht nur theatralisch eine überzeugende Leistung, sondern auch gesanglich einen mehr als würdigen Abschluss des Abends. Besonders die berühmte Arie „O mio babbino caro“ der Lauretta wird zu einem Höhepunkt des Abends, der das Publikum begeistert.
Kieler Philharmoniker in Bestform
Einmal mehr können außerdem die Kieler Philharmoniker für ein hervorragendes Spiel gelobt werden, das in allen drei Episoden von „Il Trittico“ überzeugte. Unter der musikalischen Leitung von Rani Calderon gelingt es dem Orchester, die unterschiedlichen Stimmungen und Charaktere der drei Einakter perfekt herauszuarbeiten – von den impressionistischen Klangfarben des „Tabarro“ über die sakrale Mystik der „Suor Angelica“ bis hin zur spritzigen Komödie des „Gianni Schicchi“.
Das Kieler „Il Trittico“ erweist sich als ein rundum gelungener Opernabend, der Puccinis ambitioniertestes Theaterprojekt in seiner ganzen Bandbreite erlebbar macht. Die Kombination aus Videoeinspielungen, beeindruckendem Bühnenbild und hervorragenden Gesangsleistungen macht diese Produktion zu einem besonderen Erlebnis.
Weitere Aufführungen des Triptychons finden noch bis in den März 2026 statt. Karten gibt es, wie immer, auf theater-kiel.de, telefonisch unter 0431 – 901 901 oder an allen Vorverkaufsstellen des Theater Kiel.